Chi (*1996, Wedding / Lichtenberg)

Chi (*1996) wächst als Tochter vietnamesischer Eltern im Wedding und in Lichtenberg auf. Ihre Eltern betreiben zunächst einen gemeinsamen Imbiss, "so bin ich viel mit Babysittern aufgewachsen, weil meine Eltern arbeiten mussten." Nachdem die Eltern sich trennen, lebt Chi zusammen mit ihrer starken, selbstbewussten, aber auch sehr besorgten Mutter. Chi berichtet von ihrer Abneigung gegen die Schule, Klischees über Asiaten und wie sie lernte, sich selbst sicher zu sein. 

"Die beste Frau"

"Unser Verhältnis ist sehr eng. Meine Mutter ist, das klingt total kitschig, aber sie ist so die beste Frau, die ich kenne, die stärkste Frau. Weil mittlerweile weiß ich, was sie alles machen musste, damit ich hier gut aufwachsen kann und weshalb ich so viel alleine war, weil sie halt arbeiten musste. Meine Mutter ist sehr meinungsstark und selbstbewusst und erzählt jedem und jeder, was sie alles geschafft hat, dass sie stolz auf sich selbst ist und auch zu Recht."

"Sich selbst sicher"

"Es war immer viel Kritik da. Nicht nur von meiner Mutter, von der ganzen Familie. Die hatten immer etwas auszusetzen, auch so Vergleiche mit anderen Kindern. Und dann fragt man sich schon, "was ist den falsch mit mir? Warum reiche ich nicht?" Das war  Leistungsdruck, aber auch der Druck in ein Schönheitsideal zu passen. Das ist in Asien weit verbreitet, wenn man nicht total zierlich und dünn ist, dass man, wenn man aus der Norm ausbricht, das das kritisiert wird."

"Worauf ich Lust habe"

"Ich wollte unbedingt einen Traum haben oder etwas werden wollen, aber ich wusste nicht was. Weil ich nicht wusste, was es alles so gibt oder was meine Leidenschaft ist. Das wusste ich einfach fach nicht. (...) Jetzt habe ich schon meine Berufung gefunden. Ich muss jetzt nicht unbedingt Chefredakteurin von der "ZEIT" werden, aber ich möchte unabhängig sein und einfach das machen, worauf ich Lust habe."



Allan (*1996, Charlottenburg)

Die Kindheit von Allan Anders (*1996) spielt sich rund um den Richard-Wagner-Platz in Berlin-Charlottenburg ab. Seit er denken kann, hat er hier mit seinen Freunden gechillt oder Fussball gezockt und noch heute führt ihn sein erster Weg in Berlin immer zum "Richard", wie er sagt. Allan berichtet von der Fähigkeit, sich als "Chamäleon" durchzuschlagen und wie er - "ich hatte keine Ahnung davon, keine Ahnung" - sich im Rap-Business einen Namen machte. "Man hat halt nichts zu verlieren! Das habe ich von meinem Vater. Mach einfach Dinge! Wenn du´s nicht schaffst, hast du´s halt nicht geschafft!" 

Chamäleon

"Das merkst du ganz früh, das du nicht das isst, was dein guter Freund isst. Der isst z.B. Schweinefleisch und ich esse keins. Mein Lieblingsessen ist das und das und der kennt das noch nicht mal. Und dann denkst du, "warum kennst du das nicht, Alter?"

Aber was heißt Ausländer? Wenn man mich fragt: "Was bist du?" Dann sage ich, "ich bin Berliner." Ehrlich gesagt, mache ich da keinen Unterschied."

Genauso sein wie die!

"Wir hatten immer 'nen vollen Kühlschrank, wir waren einmal im Jahr in Urlaub, konnten immer unsere Miete bezahlen. Uns ging's voll gut. Aber wenn man alles hat, will man immer noch mehr.  So wie man jetzt Gucci - Klamotten und das neueste Auto haben will, wollte man damals Nike-Klamotten und ein Fahrrad haben. Und dann hat man gedacht: "Boa, Alter, weil ich das jetzt nicht bekomme, bin ich arm!" Das war natürlich Unsinn, aber so dachten wir halt."

Vom Weg abkommen

"Ich habe Angst davor vom rechten Pfad abzukommen. Und zu denken als gäbe es nur dieses Leben. Es macht halt nur noch eines Sinn: Geld verdienen, sterben. Dieses Denken will ich niemals bekommen. Dafür bin ich sehr dankbar, dass ich nicht so denke. Aber das Problem ist, wenn du lang genug in dieser Szene bist oder viel mit Menschen zu tun hast, die überhaupt nicht so denken wie du, ist die Angst sowas zu vergessen sehr stark."


Karl (*1996, Mitte)

Karl (*1996) erlebte seine Kindheit im Scheunenviertel während der aufgeregten 00er Jahre des Berlin-Hypes, was ihn und seine Mutter vor allem belustigte. "Du läufst vor die Tür und auf dem Weg zum Alex hörst du kein Wort deutsch, nur Touristen. Amerikaner, Japaner, die da rum guckten, "Ohh, eine Galerie!" Ich hab den Hype darum nie verstanden, schon als Kind nicht. Das ist meistens nur ein weißer Raum, in der Mitte hängt ein Bild und davor ist eine riesig lange Schlange voller Schwaben oder Touristen." 

Besser erwachsen

"Ausgezogen bin ich mit 20 direkt nach Neujahr. Ich konnte es mir auch leisten und da hat meine Mama auch eine Person weniger um die sie sich kümmern muss. Und eigentlich war das eine richtig geile Entscheidung. (...) Ich bin viel lieber Erwachsener, als Kind. Weil man da nicht so frei ist. Als Kind war ich sehr schüchtern, aber als ich ausgezogen bin, habe ich gemerkt, jetzt fängt das Leben richtig an."

Mongolei

"Er hat mich damals angerufen, die haben illegal in Deutschland gelebt und wurden dann abgeschoben. Das war sehr traurig. Ich kann mich noch erinnern, wie ich ihn damals zum Flughafen gebracht habe. Wir sind mit dem Taxi nach Tegel gefahren, ich weiß noch, wie er mich das letzte Mal angeguckt hat, dann ist er um die Ecke gelaufen und war weg. 

Ich habe erst geheult, als er dann weg war."  

Spiel des Lebens

"In 10 Jahren bin ich 32. Das einzige, was mir jetzt noch fehlt in Anführungszeichen, sind sozusagen Frau und Kind. Ich habe jetzt schon sehr viel. Ich kann für mich selbst sorgen, ich bin finanziell unabhängig, ich wohne nicht mehr bei Mama, ich habe einen Führerschein und in 10 Jahren kann ich mir gut vorstellen ein Kind zu haben und eine Frau, mit der ich alt werden kann. Dann habe ich das Spiel des Lebens abgeschlossen."