Margot Lose (*1923) ist in Neukölln geboren und aufgewachsen, wo sie auch als Verkäuferin in der Konfektionswarenabteilung von Karstadt arbeitete. Sie erzählt von ihren Eltern Willi & Hertha, der glücklichen Zeit mit ihrem Mann und ihrer großen Leidenschaft, dem Tanzen.
"Beim BDM war ich, da musste ich ja eintreten. Wenn sie arbeiten wollten oder lernen wollten, dann mussten sie da eintreten. Gerne, wäre übertrieben, aber man musste da eben eintreten. Als Mädchen habe ich Verkäuferin gelernt und das war eigentlich auch mein Lieblingsberuf. Das war abwechslungsreich und ich habe auch gerne geredet. Das habe ich gerne gemacht. Was anderes wollte ich auch eigentlich gar nicht."
"Ich habe für mein Leben gerne getanzt. Ich habe gerne getanzt und mein Mann, der hat auch gerne getanzt. Ich bin ja auch mit meinen Freundinnen tanzen gegangen. Steppen habe ich auch gelernt, das habe ich nachher am meisten gemacht. Das hat mir Spass gemacht. Da war ich noch ein junges Mädel. Das war auch immer anstrengend, da braucht man viel Luft, aber ich war ja noch ein junges Mädel."
"Ich hatte ein ruhiges Leben. Nicht, dass ich mich über etwas ärgern muss, dass mein Mann fremd gegangen wäre oder so, dass muss ich sagen. Ich hatte einen guten, soliden Mann. Erinnern kann man sich immer nur wenn etwas passiert ist oder nicht stimmt. Ich kann nur sagen: schön war es! Ein Glück, dass es schön war. Man kann vielleicht fragen, dass es langweilig war, aber langweilig ist es nie gewesen."
Frank Schrader (*1969) ist der Enkel von Margot Lose und bei ihr und ihrem dritten Mann Harry wächst er in Neukölln auch auf. Er berichtet vom Sorgerechtsstreit zwischen seiner Mutter und seinen Großeltern, seinen Erlebnissen auf Neuköllns Schulhöfen und Straßen, von Tanzstunden mit der Oma und Boxübungen mit dem Opa und einer "heilen Kindheit", vor allem aber von der großen Liebe seiner Großeltern und wie ihn diese Liebe bis heute geprägt hat.
"Neukölln war eine wirklich schöne Ecke. Wenn heute von Multikulti geredet wird, dann war das damals gelebtes Multikulti. (...) Ich erinnere mich an ein Schulfest, wo meine Oma Buletten gemacht hat. Meine Oma war immer die Buletten-königin. Und die hat damals in der Klasse nachgefragt: "Ich habe gehört, Schweinefleisch ist nicht so? Ich kann die auch mit Rind machen!" Das war für mich gelebte Toleranz. Das ging so bis 1985, '86, da hat sich das alles etwas gedreht."
"Es gab dann auch Zeiten, wo es nicht mehr so cool war zur Schule zu gehen und ich mir überlegt habe, welchen Schulweg ich nehme. Mein Opa hat mich dann in Uniform zur Schule gefahren, da hatte ich so ein bisschen einen Schutzschild. Da hat das begonnen sich zu drehen und lief das eine ganze Zeit aus dem Ruder. Gerade in Neukölln. Mein Opa hat mir dann so ein paar Sachen beigebracht, jetzt kommt ein Boxschlag von vorne, wie wehrst du dich?"
"Meine Mutter hat mich mit 5 einmal zum Spaziergang abgeholt und hat dann meine Großeltern angerufen: "So, Frank wohnt jetzt bei uns." Und Oma so: "Naja, das ist dein Kind, wär schön wenn du das anders gemacht hättest, aber gut." Und dann war ich bei denen für ein Jahr. Mein Stiefvater war Alkoholiker. Der war nicht aggressiv, aber, also wir hatten zwei Hunde, und wenn der drin in der Kneipe war, hat der mich zu den Hunden gestellt und ist rein gegangen und hat getrunken."