Tugay (*1997, Reinickendorf / Wedding)

"Die eine Seite meiner Familie ist ziemlich offen und liberal, die andere Seite ist konservativer." Tugays (*1997) Kindheit ist geprägt durch den Gegensatz dieser beiden Seiten. Nachdem  frühen Tod seines Vaters, findet er sich im Zwiespalt zwischen seinem muslimischen Glauben und der scheinbar dazu im Gegensatz stehenden Erkenntnis schwul zu sein. Tugay berichtet von den verschiedenen Leben vor und nach seinem Outing und der ewigen Frage: "Woher kommst du?" 

"Gar nicht ok!"

"Ich habe mich später nach dem Tod meines Vaters verändert und bin konservativer geworden, weil ich mich irgendwie festhalten wollte. Ich war immer Mutterkind, aber mein Vater war mein bester Freund. (...)

Später als ich realisiert habe "du bist schwul und du bist muslimisch, das passt irgendwie nicht", da habe ich mich dann ein bisschen verändert."

Outing

"Es hat alles nichts geholfen. Immer wenn ich gebetet habe, das war 5 mal am Tag, jahrelang. Ich bin morgens vor der Schule aufgestanden um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, nur um zu beten und es hat sich nichts verändert. Ich habe gefastet und habe alles gemacht was mir sinnvoll erschien."

"Woher kommst du?"

"Dann kommt jedesmal, jedesmal, eine oder zwei Personen kommen an und fragen: "Woher kommst du eigentlich?" Früher habe ich immer gesagt: "Ich bin Deutscher." "Ja, aber woher kommst du ursprünglich?" "Berlin, ich bin Deutscher." Dann kommt das erste Lachen, als wäre das gar nicht ernst gemeint. "Aber wo kommt deine Familie her?" "Türkei" und das wollen sie halt hören. Und das nervt!"


Gilbert (*1997, Kreuzberg)

Gilbert (*1997) ist im Bergmannkiez aufgewachsen, wo er auch heute noch lebt. "Ich bin in eine Theaterfamilie geboren, meine Eltern haben sich nach dem Mauerfall am Berliner Ensemble kennengelernt." Gilbert entdeckt früh seine Liebe zur Malerei, die bis heute anhält. Gilbert berichtet diese Woche vom Feiern gehen, von Ängsten & Mutproben, Shibari und dem Aufwachsen im Berlin der Jahrtausendwende.

Feiern gehen

"Ich hatte immer das Gefühl, dass das eine Kreuzberger Szene ist. Ich habe relativ viel Parties gefeiert damals, als das los ging in dieses Partyalter. (...) Chemos, da habe ich immer einen Bogen gemacht. Gerade auch Koks wurde mir häufiger angeboten, aber da habe ich immer gesagt, auf keinsten. Auch Acid und LSD sind Sachen, die sind eine Nummer zu weit für mich."  

Mutproben

"Ich kann mich an Mutproben erinnern. Das hatte viel mit  Angstbewältigung zu tun. (...)  Ich habe mich auch selbst gefordert bei solchen Sachen. Gerade bei so Sachen wie ohne Bremsen den Berg hinunterzufahren. Das lässt sich vor allem mit Adrenalin beschreiben. (...) Mit Adrenalin spiele ich ganz gerne."

Wenn die Lichter

"Wenn ich tot bin, bin ich tot. Wenn die Lichter aus sind, ist da auch nichts mehr, dem man hinterhertrauern könnte. Ich habe Angst Qualvoll zu sterben, das ist nichts was ich mir wünsche. Aber wenn ich von heute auf morgen nicht mehr aufwache, kann ich nicht sagen...das ist nichts worüber ich mir Gedanken machen kann."