Thomas (*1981) berichtet von seiner Kindheit im Holländerviertel in Berlin-Weißensee und stellt - Mathematiker, der er ist - Betrachtungen über seine Familie anhand einer binären Formel an. Er erinnert sich an die "überraschende Erkenntnis", wie unbefriedigend der Geschmack von Sand ist, er berichtet vom Geruch des "goldenen Westens", der Leidenschaft seines Vaters für Postkarten und seiner eigenen für die "Eisbären Berlin".
"Wenn man sich einen Charakter vorstellt, als eine Reihe von binären Merkmalen, wo die Ausprägungen nur mit 0en und 1en indiziert werden, dann hat er überall dort eine 0, wo ich eine 1 habe und umgekehrt. Wir sind uns wirklich ziemlich gegensätzlich."
"Mein Vater hat dann ein Postkartengeschäft aufgebaut und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. (...) Zu DDR-Zeiten war das ja auch eine Möglichkeit mit der Welt in Kontakt zu bleiben. Er hat Fernschach gespielt und hatte dadurch Schachfreunde auf der ganzen Welt. So hat er Bildeindrücke aus Ländern bekommen, in die man völlig unrealistischer Weise reisen konnte."
"Die waren beide sehr feine Menschen und haben uns immer Geschenke mitgebracht - Süßigkeiten, Lego. Das war immer eine besondere Freude, wenn die kamen. Für mich waren die beiden fast so etwas, wie die Personifikation des Westens - das riecht gut, das ist das Land in dem Milch und Honig fließt. Das war auch so meine Erwartung an West-Berlin."
Die Geschwister von Au (*1981, 1985, 1987, 1992) oder genauer Frieda, Jonathan, Pauline und Johanna sind die Enkel von Renate von Au (*1933) und sagen über sich "wir sind eine große Berliner Familie. Groß und viel und laut!" Die vier erzählen von den Konstellationen untereinander, von ihrer gemeinsamen Mutter, den verschiedenen Vätern und wie diese große Familie und ihre geschwisterlichen Beziehungen ihr Leben bis heute prägen.
"Johanna ist die Große. Die hatte so eine Art kleine Mama-Rolle. Und Frieda ist die Kleine, egal wie groß sie wird." "Höher!" "Zwischen uns beiden ist es mehr eine Freundschaft. Das war auch dein schönstes Kompliment, "Ich habe eine kleine Schwester, die ist wie ein großer Bruder." - "Und Pauline ist verständnisvoll, wie sagt man, so ein typisches Mittelkind, diplomatisch in beide Richtungen." "Johnie, war der einzige Junge und da waren wir manchmal nicht sehr nett. Er durfte nicht mitspielen, weil er kein Mädchen ist. Dann ist er hinterhergerannt und hat gerufen: "Ich bin auch ein Mädchen."
"Es war schon klar, dass ich die Kleine bin umso mehr habe ich mich gefreut, als ich meinen Schwestern über den Kopf gewachsen bin."
- "Hattest du mehr Rechte als die Anderen?"
"Die anderen behaupten "ja". Also die haben mir schon für viele Dinge den Weg geebnet. Andererseits war es für meine Begriffe oft so, dass Dinge nicht so individuell gehandhabt wurden. Da hieß es dann, dass haben wir dreimal so gemacht, dass machen wir wieder so. Da hätte ich mir manchmal mehr Regeln gewünscht."
"Schön fand ich es nicht. Aber ich glaube, für dich war das am schlimmsten, weil du noch zuhause gewohnt hast und alles direkt miterlebt hast."
"Ihr wart da ja alle nicht so begeistert von, aber ich fand das gut, dass die sich getrennt haben, weil die sich nicht gut verstanden haben."
"Ich sehe das auch so. Aber das ist ja auch schwierig, sich das einzugestehen, weil es gibt halt doch noch die Hoffnung, vielleicht wird ja noch einmal so wie früher."