Iman Andrea Reimann (*1973, Mitte)

Iman Andrea Reimann (*1973) wurde in eine Pfarrersfamilie in Potsdam geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte, bevor ihre Mutter mit ihr über den Umweg Westdeutschland nach Kreuzberg zog. Sie berichtet von Freiheiten und Unfreiheiten in Ost und West, den Besonderheiten von Potsdam, Gütersloh und Kreuzberg und ihrem Glauben, der sie seit Kindertagen zunächst als Christin und heute als Muslimin, begleitet.

Meine Mutter und ich

"Wir sind 1979 ausgereist und sind dann nach Gütersloh gekommen. Das war wirklich ein Schock!  Eine Kleinstadt bei Gütersloh, wo alle Kinder Mama, Papa, Auto hatten, mit Garten im besten Fall. Das war wirklich schwierig. Das muss ich so sagen. Ich sprach anders, ich sah anders aus, ich hatte eine alleinerziehende Mutter, was es damals so einfach nicht gab."

Irritation Kreuzberg

"Ich war schockiert! In der Kleinstadt bei Gütersloh, gab es ein türkisches Mädchen und ein polnisches, mit dem ich befreundet war. Alles andere war deutsch, kleinstädtisch, piefig. Und in Kreuzberg auf der Lemgo-Grundschule, so viele türkische, kurdische, polnische,   jugoslawische Schüler und Schülerinnen, das erstmal merkwürdig, das war erstmal anders."

Gott war immer da

"Gott war und ist immer existent für mich gewesen, mein ganzes Leben hindurch. In dem Dorf, wo meine Großeltern gelebt haben, da steht eine Feldsteinkirche und ich durfte als Kind diesen Raum immer betreten. Das war nicht "heilig", das war einfach ein Raum, wie das Wohnzimmer meiner Großeltern. (...) Das hat es für mich als Kind leicht gemacht mit Gott in Beziehung zu treten."


Cem Özcakir (*1973, Lichtenrade / Wedding)

Cem Özcakir (*1973) wächst als Sohn türkisch-polnisch-deutscher Eltern zunächst in Lichtenrade, später im Wedding auf. Er berichtet, wie sein Vater ein Reisebüro eröffnet, mit dessen Hilfe jeden Sommer hunderte türkische Familien über Ost-Berlin in die Türkei reisen und später einen eigenen deutsch-türkischen Fernsehsender gründet. Cem erzählt von Aufstieg und Fall des Senders TD1,  von Jahren voll verrückter Geschichten, während derer er mal als Kameramann, Regisseur oder Moderator arbeitet - bis zu dem Punkt an dem der Sender Pleite geht und Cem eigene Wege beschreiten muss.

Türkischer Basar

"Die Britten haben dann die Flugpreise super erhöht und da hatte mein Vater keinen Bock drauf und ist rüber in die DDR hat mit Interflug gesprochen. Und dann durften die Türken über Interflug - was immer witzig aussah, weil einmal im Jahr die ganzen Leute  an all den Kontrollpunkten vorbei latschten, türkische Familien mit ihren ganzen Klamotten und dann flogen sie von Ost-Berlin in die Türkei und wieder zurück."

TD1

"Mitte der 80er Jahre kam das Kabel-Fernsehen und die suchten überall Leute die die Kanäle füllten und dann kam mein Vater auf die Idee, einen eigenen Fernsehsender zu gründen. Und ich zog dann zu dem Sender in den Wedding. Ich habe unten im Keller mein Zimmer gehabt und bin morgens wenn ich zur Schule gegangen bin bin ich die Treppe hoch an den Studios und den Gästen vorbei. Und das war schon ziemlich verrückt diese ganze Zeit."

Mehr als alles Geld

"Das war eigentlich die beste Zeit meines Lebens. Und als der Sender Pleite ging, 2001 hat das angefangen, da war ich gerade in der Türkei um türkisch zu lernen. (...) Da standen wir auf einmal mehr oder weniger vor dem nichts, irgendwann waren  die Reserven auch aufgebraucht. Das ist nicht so ein schönes Ende, wie ich finde. Aber ich bin ja kein materialistischer Mensch und dieser Schatz an Reichtum und Erfahrungen ist mehr Wert als alles Geld der Welt."


Kerstin Sanke (*1973, Prenzlauer Berg)

Kerstin Sanke (*1973): "Wo mein Vater noch gelebt hat, war Friede, Freude, Eierkuchen. Allet schön, wie man sich die Kindheit vorstellt. Nur mit dem Unterschied, dass wir zu DDR-Zeiten - was ja nicht Standart war - Vergünstigungen hatten. Vergünstigungen in dem Sinne, dass mein Vater öfters was vom Westen mitgebracht hat." Als ihr Vater stirbt erhält ihre Kindheit eine nachhaltige Wendung.

Kindesentführung

"Ich bin 10 Tage nach Vaters Tod zur dieser Telefonzelle, wollte meine Tante anrufen und ihr sagen, wann die Beerdigung stattfindet. (...) Und genau dieser Polizist hat mich aus der Telefonzelle gezerrt, hat mir Handschellen angelegt - ick war 11 Jahre - hat mich ins Polizeiauto gesetzt und zur Polizei gebracht. Und ab da ist dann eigentlich meine Heimzeit losgegangen."

Dunkelhaft

"Und dann haben sie mich nach zwei Wochen rausgeholt!

Das ist der Wahnsinn gewesen. Im Keller war dieser Dunkelhaftraum. Direkt um die Ecke, da konntest du raus gehen in den Hof. Da haben sie mich aus der Dunkelhaft rausgeholt, aus dem dunklen Raum und reingestellt in die brechende Sonne."

Alles leuchtet

"Dann hab` ick mir erstmal West-Berlin angekiekt, weil habe ich ja noch nie gesehen, alles leuchtet. Erstes mal Linie 1 gefahren, Wahnsinn, hab ich ja den ganzen Kino-Film gesehen zu DDR-Zeiten. Von Anfangsstation bis Ende, habe die Punks gesucht, hab keine Punks gesehen. Und mich gewundert, was ist denn hier los?"