"Meine Kindheit in Berlin hat angefangen, bevor ich geboren wurde. "Wie" wird man fragen? Ich kam verspätet zur Welt, also nach dem errechneten Termin und der Frauenarzt empfahl meiner Mutter auf dem 2ten Stock der Berliner Busse zu fahren, weil das Rütteln der Busse für den Geburtsvorgang befördernd war." Georg Immelmann (*1935) ist im Wedding nahe des Gesundbrunnen aufgewachsen und berichtet von seiner militärisch geprägten Kindheit in den 30er/40er Jahren, vom Marschieren und Singen, von Heldenkarten und von Beginn und Verlauf des 2.Weltkriegs.
"In einer Alarmnacht fiel eine Bombe in den Hinterhof des Hauses, Böttgerstraße 19.
Es war ein Blindgänger, wir mussten das Haus räumen und zu Fuß durch brennende Straßen laufen bis zum Humboldthain, da war der jetzt noch da stehende Bunker und da mussten wir hin durch die brennende Stadt."
"Ich bin da mit marschiert und habe mitgesungen. Ein Lied habe ich mitgesungen, dass ich nicht verstanden hatte. Das hieß: "Krumme Dohlen ziehen dahin, daher, sie ziehen wohl übers Meer, die Wellen schlagen zu, die Welt hat Ruh'." (...) Und erst viel später habe ich verstanden, das hieß "Krumme Juden."
"Auf der Böschung saßen und lagen Soldaten, die dort frühstückten und die meisten von denen aßen hartgekochte Eier. Es war klar, die fuhren nach Polen weiter. (...) In der Nacht vorher gab es diesen berühmten Satz: "Seit 5:45 wird zurück geschossen." In der Zeit danach wollte ich Eier immer nur noch hartgekocht essen, wie die Soldaten."
Renate Juliusburger (*1935) lebt noch heute in der Wohnung ihrer Geburt in der Dolziger Straße im Samariter-Kiez in Friedrichshain. Sie berichtet von den harten, aber feierfreudigen Nachkriegsjahren und vom langsamen Wandel der Straße. Später wird sie - nach einem Umweg als Republikflüchtige und ihrer Rückkehr in die DDR - Programmiererin für den Robotron 300.
"Nach dem Krieg die ersten Jahre, die Leute waren ja nicht nur hungrig nach essen, die waren auch hungrig nach feiern, nach fröhlich sein und Musik und tanzen. Und es gab ja keine Einrichtung, wo sie hätten hingehen können."
"Ich bin zurück in die DDR, denn ich hatte einfach Heimweh. Ich musste dann einen Bericht schreiben, wie es mir in West-Deutschland ergangen ist. Da habe ich dann ein wenig gemogelt und nicht geschrieben, dass ich aus Heimweh zurück komme, sondern "ich habe erkannt, dass in der DDR eben doch die Zukunft liegt".
"Eene mit ner Brille - mein letzter Wille!" Das hat mich in der Jugendzeit sehr belastet. Irgendwann habe ich mir gesagt: "Für mich hat sich´s erledigt, mich will sowieso keiner. Heiraten wirste nie, du musst für dich jetzt sorgen, dass du mal eine anständige Rente hast." Dann fand sich aber doch jemand, der mich geheiratet hat, der Herr Juliusburger!"