Gisela Preuss (*1931, Ost/West)

Gisela Preuss (*1931), geborene Kroll, wird in Küstrin geboren und wächst zunächst im damaligen Deutsch Krone auf. 1939 zieht die ganze Familie nach Berlin, wo der Vater als Lokführer arbeitet. Aufgrund der Bombenangriffe geht die Mutter mit den 5 Kindern 1943 nach Dirschau, wo sie vorerst in einem alten Bahnhofswartezimmer unterkommen. Gisela und ihrer Familie müssen auf der Flucht vor dem näher kommenden Krieg noch viel durchleben, bevor sie 1945 mit letzter Kraft zum völlig zerstörten Alexanderplatz zurückkehren. 

Tiefangriff

"Neben mir saß eine alte Dame, die rutschte immer wieder rüber. Da habe ich sie vorsichtig zur Seite geschoben, man musste ja sehr höflich sein zu den alten Leuten, da achtete auch meine Mutter drauf. Die rutschte aber immer wieder rüber und ich sagte: "Jetzt bleiben Sie doch bitte da sitzen!" Am nächsten Morgen ging einer durch den Waggon und da sagte ich zu ihm: "Diese Frau sitzt mir immer auf dem Schoß! Ich weiß gar nicht, was ich machen soll!" Da will er die Frau zurückziehen, aber da war die schon längst tot!"

 

Konfirmation

"Also sind wir Sonntag denn beide übers Feld rüber nach Vipperow gegangen. Das war alles freies Feld, im März war da ja noch nicht viel. Und mir ist meine Schleife aufgegangen. Natürlich trugen wir alle Zöpfe, ich hatte so einen Mozartzopf, und da war mir die Schleife aufgegangen.

Meine Mutter stand also auf dem Feld und machte mir die Schleife. Da sagte ich: "Guck mal Mutti, was da hinten kommt?" Der Himmel war blitzeblau und da flog uns so ein Pulk entgegen."

 

Keinen Pfifferling

"Ne," sagt er, "es sieht etwas mitgenommen aus, ich kann es ihnen zeigen. Aber das Pferd bringt sie nach Berlin." "Naja", sagt mein Vater,  "angucken kann man sich das ja mal!" Und dann kamen sie wieder raus und ich fragte: "Und, haben wir jetzt ein Pferd?" "Also wenn du den siehst, sagst du "Ne, mit dem kommen wir nie nach Berlin!" (...) Also ich habe keinen Pfifferling für dieses Pferd gegeben, aber es hat uns bis nach Tegel gezogen und dort ist es zusammengeklappt." 


Gerhard Bräuer (*1931, West)

Gerhard Bräuer (*1931) ist ein "Überlebender", wie er selber sagt. 1941 wird er per Kinderlandverschickung nach Rateče in Slovenien evakuiert. Kaum in den Bergen heimisch geworden ruft ihn seine Mutter - die in der Zwischenzeit mit seinen 2 Brüdern nach Ostpreußen evakuiert wurde. Also macht sich der nun 13jährige auf den Weg und fährt mit dem Zug 1500 km quer durch den Krieg nach Ostpreußen.

Unehelich

"Ich bin damals geboren, unehelich. Ich habe also den Namen meiner Mutter geerbt. Damals hieß das nicht Vater, sondern Erzeuger. Und wie das damals üblich war, haben die Väter abgestritten, dass sie die Erzeuger waren und haben versucht sich dem zu entziehen. Meine Brüder sind auch alle unehelich geboren."

1500 km alleine

"Und dann bin ich alleine - das müssen sie sich mal vorstellen - 1500 km von Oberkrain bis nach Ostpreußen, fast an die russische Grenze, alleine gefahren. Ich kriegte da irgendsoeinen Schein, dass ich da hin sollte zu meinen Eltern. Das hat glaube ich 2 Tage gedauert."

Echtes Zuhause

"Da sagte meine Mutter: "Jetzt ist alles egal, jetzt wollen wir auch wieder zurück nach Berlin." Trotz der Bomben-angriffe und allem. Also wir sind aus Thüringen auch wieder evakuiert und haben da den letzten, schlimmsten Bombenangriff erlebt und haben von da die Befreiung Ost-Deutschlands unter russischer Vorherrschaft erlebt"


Ruth Krüger (*1931, Ost)

Streng genommen hatte Ruth Krüger (*1931) eine "schlesische" Kindheit. Berlinerin wurde sie erst mit 14. "1945 mussten wir flüchten, weil die Russen kamen." Sie berichtet von unbeschwerten Tagen auf dem Land, ihrer Schwester, der "Stänkerlotte", und von ihrer Flucht über Breslau nach Berlin und wie sie eine "richtige Berliner Pflanze" wurde. 

Stänkerlotte

"Wenn se den gekriegt hätten, der hätte nur im Zuchthaus gesessen. Der hat Schnaps selber gebraut, der hat Stricke für die Viecher gedreht und da waren alle dabei..."

Flucht nach Berlin

"Da kam der Mann nochmal auf Fronturlaub im Herbst und da sagte er: wenn ihr raus müsst, dann kommt ihr zu uns nach Berlin. Wir haben immer Platz für euch!"

Berliner Pflanze

"Der kannte nun gar keine Großstadt. (...) Dann waren wir oben im Funkturm am Alex, da sagt er: "Mensch, das dreht sich ja!" Ja, sag ich, Kind, so ist das nun mal in Berlin."