Octavia Wolle (*1950)

"Ich gehöre einer aussterbenden Spezies an, so richtige echte Berliner trifft man relativ selten in Mitte. Ich habe den großen Teil meiner Kindheit in der Oranienburger Straße verbracht." Octavia Wolle (*1950) wächst relativ privilegiert als Arzt-Tochter und "Kronprinzessin" in Ost-Berlin auf, inkl. Chauffeur, Herrn Lehmann. Sie erzählt u.a. von ihrer Ost-Berliner Kommunion und einer daran anschließenden für sie verstörenden Begegnung, Ungarischer Salami und Mandelkleie.

Mandelkleie

"Unsere Wohnung war 150 qm groß und auf der gleichen Etage  das Pendant zu dieser Wohnung, auch 150 qm, das war die Praxis. Die Tatsache,  dass ich auf soviel qm groß geworden bin, die verdirbt für den Rest des Lebens die Maßstäbe dafür, was angemessener Wohn-raum ist. (...) Wir hatten einen riesigen Korridor,

da sind wir Rollschuh drin gelaufen."

 

Kronprinzessin

"Am Bahnhof Zoo kam eine Durchsage, "Wer in Freiheit leben möchte, der möge aussteigen, sonst wäre man in Ost-Berlin durch eine Mauer gefangen."

Meine Mutter wollte unbedingt raus, aber Vater sagte "Nein, wir steigen nicht aus, wir fahren weiter nach Berlin, Ost. die Mauer steht keine 8 Tage, das lassen die Berliner sich doch nicht gefallen." 

Wie kannst du...?

"Ich ging zur heiligen Kommunion im weißen Seidenkleidchen und Lackschuhen aus West-Berlin und Kerze und aus irgendeinem Grund bin ich alleine nach Hause gegangen, das war nicht so weit. Und kurz vor unserem Haus hielt mich ein alter Mann an und fing an mich zu beschimpfen: "Wie kann man an so einen Gott glauben?" und dann krempelte er seinen Ärmel hoch und zeigte mir so eine eintätowierte Zahl."